Der Preis der Freiheit ist Verantwortung – Unternehmensethik und Leitbildentwicklung

Die Komplementär­größe zur Macht muß die Verant­wortung sein, eine bewusst reflektierte Verant­wortung.

Hans Jonas

Ein Buchtitel wurde nicht zufäl­lig reichlich strapaziert: die Risikogesellschaft (Ulrich Beck). Das Wort ist leicht nachvoll­ziehbar, weil wir alle tagtäglich mit Risiken leben und diese auch ziem­lich genau benennen kön­nen:  Autounfälle, Krebsrisi­ken, Stress, Kern­kraftwerke, strahlender Atom­müll, Klimawandel – nur eine kleine Auswahl der uns begleiten­den Risi­ken. Früher war es eine unberechenbare Natur, die menschli­ches Leben riskant machte – die mo­derne Technologie hat sie weitgehend gezähmt, uns aber neue Risiken zuhauf beschert. Man kann dies ignorieren und verdrän­gen oder eine Weltunter­gangs­stimmung mit ent­sprechen­den Szena­rien beschwören. Beides sind keine erwach­senen Verhal­tensweisen. Ich plä­diere für eine Kultur der Verantwor­tung als Weg der Mitte. Wo Verantwortung in einem dialogi­schen Pro­zess – dazu gehört auch der Streit – entwickelt und entfal­tet wird, setzt sie schöpferi­sche Potentiale für eine bewusste und menschli­che Zukunftsgestaltung frei.

Verantwortung in der organisierten Gesell­schaft

Damit der Ruf nach Verant­wor­tung aus dem Sta­dium der Sonntagsreden her­auskommt, braucht es vor allem eine Verantwor­tungskultur der Unterneh­men und Organisationen. Wir sind gewohnt ver­ant­wortliches Han­deln von Individuen zu verlangen. So wichtig das ist, es ist zu wenig in einer „organisierten Gesell­schaft“, die wir nun einmal haben. Ent­schei­dungen, die mit weitreichen­den Fol­gen und Risiken ver­bunden sind, werden heute nicht von ein­zelnen getroffen. In der Politik wird Ver­antwortung zwar be­stimmten Personen zuge­ordnet, doch ihre Entschei­dungen sind eingebettet in ein kompliziertes Geflecht von Gre­mien, Sit­zungen und Abstimmun­gen. Im Bereich der Wirt­schaft handeln Unterneh­men. „IBM hat entschie­den…“ „Daimler will…“ „BASF wird…“ – so lesen wir es täglich in der Zei­tung. Na­men von Per­sonen tau­chen nur am Rande auf. Ver­antwortlichkeit als Grundhaltung von Unter­nehmern muss ergänzt wer­den durch eine Verant­wor­tungskultur des Unterneh­mens. Dies gilt es durchzubuch­stabieren – unternehmens­poli­tisch, organisatorisch, im Hinblick auf die Personalentwicklung bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit.

Sinn­volles Arbeiten

Ein konkreter Schritt dazu kann eine Leitbildentwick­lung sein. Damit stellt sich ein Unter­nehmen seiner Verantwor­tung. Natürlich kann man dies von einer Expertenkom­mission abar­beiten, vom ghost-writer klangvoll formu­lieren und vom Werbedesi­gner auf Hochglanz­papier stilisieren las­sen. Leitende Kraft wird von diesem Leicht-bild nicht aus­gehen. Ein Leit-bild, das diesen Namen verdient, erfüllt minde­stens fünf Funktionen: Es definiert die Identität des Unternehmens, formu­liert den Stil der Zu­sammenarbeit und der Füh­rung, es benennt mittel- und langfri­stige Zukunfts­per­spektiven und es beschreibt das eigene Selbstverständ­nis im gesamtgesellschaft­lichen Zusammen­hang. Leit­bildentwick­lung rührt also an den inneren Kern des Unternehmens. Es han­delt sich dabei um einen dia­logischen Prozeß innerhalb des Unter­nehmens und um eine Veröffentlichung der eigenen Werte, Ziele und Prioritäten. Wird dies mutig und behutsam in Gang ge­setzt, bringt es viele Chan­cen. Es gibt der Arbeit der Mitarbeitenden Sinn, zu dem sie auch öffentlich stehen können. Es wird das Unter­nehmen in die Öffentlichkeit bringen – nicht durch Skan­dale sondern durch unter­nehmerische Antwor­ten auf Anfragen der Menschen angesichts realer Risiken. In einer pluralen Medienge­sellschaft ist diese Form der Öffentlich­keits-Arbeit ein nicht zu unterschätzender strategischer Vorteil.

Öffentlicher Dialog statt Verordnungen

Zwischen Verdrängen und Beklagen von Problemen und Risi­ken liegt die unter­nehmerische Haltung der Verantwortung. Verantwor­tungskultur von Unterneh­men und Organisationen ist die Alternative zu ständig noch mehr Regulierung und Bürokratisierung. Anders ausgedrückt: Nehmen Un­terneh­men aktiv ihre Ver­antwortung wahr, dann muß der Gesetzgeber weni­ger eingreifen. Deshalb ist eine Kutur der Verantwortung von Organisationen und Unter­nehmen die konsequente Wei­terentwicklung der freien Marktwirt­schaft: Der Preis der Freiheit ist Verant­wortung.

Meinrad Bumiller

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