Aktiv leben – eine Persönlichkeit werden – Konkrete Vorschläge

  • Mit wachen Sinnen die Welt wahrnehmen und eigenes Handeln reflektieren – also bewußt leben
  • Das Staunen nicht verlernen und neugierig wie ein Entdecker oder ein Kind bleiben
  • Eine Vision entwickeln, die Sinn gibt und daraus eigene Werte ableiten
  • Sicherheiten verlassen, Neues wagen, mutig experimentieren, sich Fehler zugestehen und daraus lernen
  • Eigenen Gedanken und Gefühlen Raum geben
  • Scheitern annehmen und Schuld verarbeiten
  • Sich als ganzer Mensch entfalten mit Kopf, Herz und Hand
  • sein Leben ausbalancieren – zwischen Spannung und Entspannung, Arbeit und Muße, Leidenschaft und Gelassenheit, Einsamkeit und Beziehung…
  • Ideen entwickeln und äußern, solche von anderen aufnehmen und weiterentwickeln
  • Prioritäten setzen, sich auf diese konzentrieren und dementsprechend handeln
  • Zielorientiert und diszipliniert arbeiten und dicke Bretter bohren
  • Sich für seine Umwelt und Mitwelt interessieren
  • Sich anderen konzentriert zuwenden, ihnen aktiv zuhören und sich in ihre Situation einzufühlen versuchen
  • Kontakte anknüpfen und vertiefen, Freundschaften und Beziehungen pflegen
  • Politisch werden, weil die polis (Gemeinschaft) ein Anliegen ist und sich deshalb couragiert in öffentliche Diskussionen einmischen
  • Verantwortung für sein Denken, Fühlen und Handeln übernehmen

Meinrad Bumiller

Der ideale Raum für gelingende Kommunikation

  • Die Grundform der Kommunikation ist der Kreis. Ein geeigneter Kommunikationsraum ist somit kreisrund oder quadratisch.
  • Dem entspricht als Sitzform ein Stuhlkreis, Tische und Stühle in U-Form, ein runder Tisch.
  • Um die Tische oder Stühle herum gibt es genügend Raum für Bewegungen, für spontane und informelle Gespräche (Ecken, Sitzgruppen, Stehtische, Fensterplätze…).
  • Tische und Stühle sind leicht und schnell entsprechend wechselnder Anforderungen zu bewegen.
  • Gute Räume haben keine Barrieren (Säulen, riesige unbewegliche Tische, Schränke…).
  • An den Rändern im Raum ist Platz für Auslagen, Informationsmaterial, Wandzeitungen, Informationstafeln, Kaffee und Getränke etc…
  • Es gibt viele Visualisierungsmöglichkeiten (Flip-Charts, Pinnwände, Wände, die man behängen darf…).
  • Der Raum ist schön gestaltet – ohne die Funktionen zu beeinträchtigen – Form follows function. ( Farben, Blumen, Bildern, Kunst …).
  • Der Raum ist hell.
  • Die notwendige Technik (Beamer, Leinwand, Mikrofon, Verstärker…) steht bereit; sie dominiert nicht den Raum und bildet keine Barrieren zwischen Vortragenden und Hörern.
  • Störungen (Lärm, Telefon, Besucher…) sind ausgeschaltet.

Führen als Dienen – Überlegungen

Prickelnd kling das nicht. Klar, jede Führungskraft muss viele Dienstleistungen für die Mitarbeitenden erbringen und wird in gewisser Weise diese auch als ihre „Kunden“ verstehen. Aber Dienen? Diener, auch Dienerinnen sind nun mal in der Hierarchie ganz unten – wenn sie überhaupt darin erscheinen. Die Führenden sind oben.

Historiker weisen darauf hin, dass Europa über viele Jahrhunderte eine Feudalgesellschaft war mit ausgeprägter gesellschaftlicher Rangordnung. Das ist Gott sei Dank vorbei. Aber der Begriff Dienen ist davon kontaminiert. Niemand will ein Diener sein und niemand will sich bedienen lassen! Denn wir haben ziemlich schnell unangenehme Bilder im Kopf: Der steife Butler, der den Whisky serviert; Livrierte Lakaien um den Königsthron; Personen, die sich tief beugen und auf keinen Fall aufschauen. In jedem Historienfilm haben wir das gesehen. Solche Bilder wirken lange nach. In den USA gibt es eine andere Geschichte. Das Selbstverständnis war von Anfang an, dass alle gleich sind: Bürger und Bürgerinnen. Wenn jemand einen Dienst für andere erbringt, dann ist das eine Leistung, die honoriert wird. Man ist nicht Diener sondern Geschäftspartner. Die Unterschiede beim Verdienst und beim Besitz waren natürlich auch in den USA riesig. Und die Schwarzen waren nicht nur Diener sondern Sklaven. Aber das Wort Dienen hat nichts Ehrenrühriges. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass es ein Amerikaner war, der das Konzept „Servant Leadership“ entwickelte.

Was heißt Dienen als Führungskraft?

Worte wie Service oder Dienst-Leistung sind eher Ablenkungsmanöver. Deshalb ein anderer Vorschlag: Dienen heißt nicht, sich vor Personen verbeugen, sondern sich einer Sache verschreiben. Eine Aufgabe verstehen größer als das eigene Ego und sich in den Dienst dieser stellen, ohne auf Vergünstigungen und Belohnungen zu schielen. Dienen heißt Leidenschaft entwickeln für eine Mission. (Manchmal hat dies auch mit Leiden zu tun.)

Für Führungskräfte heißt Dienen sich darum kümmern, dass alle – Teams, Abteilungen, Organisationen – für die größere Sache arbeiten können. Die Menschen wollen dies. Damit sie es auch können mit ihrer ganzen Kraft, braucht es einige Rahmenbedingungen – genauer formuliert eine Organisations-Kultur. Spielräume, Selbstführung, Selbstverantwortung gehören dazu. Gleichberechtigtes Mitreden und Streiten um die beste Lösung ebenfalls und noch einiges mehr.

Diese Kultur aufzubauen, ist Führungsaufgabe, ist der Dienst der Führenden. Dies ist primär eine Kultur-Aufgabe und nicht Organisieren oder Kontrollieren. Kultur ist ein land-wirtschaftlicher Begriff – colere im Lateinischen meint bebauen und pflegen. Landwirte und Gärtner wissen, dass dies ein langer und langsamer Prozess ist. Führen als Dienen ist damit eher ein Gegenbegriff zum modernen Managen.

Meinrad Bumiller

Zukunftsfähige Organisationen Zusammenarbeit und Führung neu denken – 10 vorläufige Thesen

 

  1. Von Master-Plänen zur Agilität
  2. Vom Erfolgszwang zur Sinngeschichte
  3. Von strategischen Zielen zur Pflege der Unternehmenskultur
  4. Von Vorgaben und Vorschriften zum Dialog
  5. Vom Maschinendenken zum Beziehungsgeschehen
  6. Von der Hierarchie zu Selbstführung und dezentraler Verantwortung
  7. Von Büro-Kratie zu Kreativität
  8. Von der Herrschaft der Altgedienten zum aktiven Generationen-Management
  9. Vom technologischen und wirtschaftlichen Fort­schritt zum ökologischen und sozialen
  10. Von heldenhaften Führern zu nachdenklichen

Die Corona-Epidemie hat nicht die Welt verändert – aber das Virus hat deutlich sichtbar gemacht, was sich schon lange abzeichnete: Eine neue dynamische Welt, global und digital, verlangt ein neues Denken in Organisationen. Der Lockdown hat Zeit geschenkt, darüber nachzudenken, was sich ändern könnte und sollte im Blick auf Zusammenarbeit und Führung in Organisationen, um zukunfts-fähig zu werden? Natürlich wird Bewährtes bleiben – doch einige neue Bewegungen zeichnen sich ab.

1.  Von Master-Plänen zur Agilität

 Responding to change over following a plan

Agiles Manifest, 2001

 

Große Pläne, von Planungsstäben ausgeklügelt, zeitlich genau fixiert waren in Unternehmen und Behörden lange das Maß aller Dinge. Eine hochbeschleunigte Umwelt – man muss da nicht nur an Finanzkrise, Flüchtlingswellen, Corona denken – machte sie obsolet. Kaum gedruckt, waren sie oft das Papier nicht mehr wert. Die Antwort von Organisationen darauf heißt Agilität. Das klingt gut –

aber wie sollen agile Organisationen aussehen?

Konkrete Vorschläge

  • Informationen fließen in alle Richtungen, Wissen wird konsequent geteilt, Ideen sind jederzeit willkommen.
  • Im Blick auf Problemlösungen wird schnell abteilungsübergreifend und interdisziplinär zusammengearbeitet.
  • Aus Problemen werden Projekte, Lösungsideen haben Vorrang vor Zielformulierungen.
  • Die Mitarbeitenden sind nahe bei den Kunden.
  • Statt chronologisch Aufgaben nach Zeitplänen abzuarbeiten, gilt es kairologisch zu handeln: damit meinten die alten Griechen – den richtigen Zeitpunkt zu erkennen und zu nutzen.
  • Hierarchische Ränge spielen keine Rolle – dafür ist der Respekt vor dem Fachwissen und der Erfahrung aller hoch.
  • Experimentierfreude, Fehlerfreundlichkeit, Lern- und Veränderungsbereitschaft prägen die Leitkultur.

2.  Vom Erfolgszwang zur Sinngeschichte

Menschen habe das elementare Bedürfnis ein Teil von etwas zu sein, auf das sie stolz sein können.

Jim Collins

 

Natürlich muss ein Unternehmen auf Dauer erfolgreich sein – schwarze Zahlen schreiben, Kunden gewinnen, Akzeptanz finden. Das gilt auch für den Nonprofit-Bereich. Allerdings wurde es in der Vergangenheit zum Erfolgs­zwang. Nebenwirkungen waren Getrieben-Sein und Rücksichtslosigkeit. Erfolg war Leitbegriff für Leitungs-Personen – Misserfolge waren eine Schande. Erfolg wurde dabei fast ausschließlich wirtschaftlich definiert.

Menschen möchten für etwas arbeiten, das größer ist als sie – an einer Kathedrale mitbauen und nicht nur Steine klopfen. Es geht um den Sinn der Arbeit. Sinn stiftet, was spürbar das Leben der Menschen verbessert. Das kann auch Wohlstand sein. Zentraler ist allerdings die soziale Dimension: Bin ich in einem Netz von Menschen, die mir guttun? Das kennzeichnet gute Unter­nehmen genauso wie lebenswerte Kommunen.

Konkrete Vorschläge

  • Berufliche Arbeit, Familienleben und Freizeit werden neu verbunden: Home-Office, Teilzeit­arbeit, Sabbatical, Bildungsurlaub, Familienzeit. Jüngere legen darauf Wert.
  • Sinnvolles Tun macht zufrieden – sinnloses demotiviert. Wer weiß wozu er arbeitet, der erträgt auch mal langweilige Arbeiten.
  • Organisationen können nicht Sinn liefern oder stiften. Aber sie können ermöglichen, dass die Mitarbeitenden diskutieren, welchen Beitrag ihre Arbeit für die Gesellschaft leistet.
  • Hochgradig arbeitsteilige Organisationen und hochgradig spezialisierte Wissens-Arbeiter brauchen verbindende Werte und Haltungen, damit die bereichsübergreifende Zusammen­arbeit klappt. Sinn stiftet Zusammenhalt.
  • Sinnvolle Arbeit braucht Inspiration und Anregungen von außen. In Organisationen kann dies geschehen, indem Themen, die alle angehen, diskutiert werden – untereinander und mit externen Fachleuten.
  • Wissens-Arbeiter brauchen nicht nur Kompetenzen sondern auch Bildung im Sinne von Horizonterweiterung.
  • Sinn verdichtet sich meist in Geschichten. Mitarbeitende erzählen diese weiter und ziehen damit Bewerber an.

3.  Von strategischen Zielen zur Pflege der Unternehmenskultur

 Kultur siegt über Strategie – immer!

Peter Drucker

 

 Strategisches Management war die Königsdisziplin von Führungskräften. Vom Feldherrnhügel aus wurde Zukunft beschrieben und dann heruntergebrochen bis zum einzelnen „Soldaten“. Das funktioniert nicht einmal mal mehr im militäri­schen Bereich.

Der berühmte Satz des Management-Gurus Peter Drucker, oft zitiert und wenig beherzigt, trifft den Punkt. Wahrscheinlich war das immer schon so – aber die jungen Generationen, bei denen sich Unternehmen heute bewerben müssen, verstärken dies. Sie achten genau darauf, wie die Umgangsformen in einer Organisation sind, welcher Spirit in Teams herrscht, wie Kommunikation stattfindet. Sie erwarten „New Work“: Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe. Es geht um die Gestaltung der Organisationskultur und – etwas schwieriger – um kulturelle Führung.

Konkrete Vorschläge

  • Es ist immer gut, die Gründungsgeschichte einer Organisation zu erzählen. Daran anschließen kann ein Refounding: gemeinsam überlegen, wie die Gründung unter neuen Rahmen­bedingungen aktualisiert werden kann.
  • Statt langatmiger Leitbilder ein knackiges Mission-Statement formulieren.
  • Menschen brauchen Rituale. Diese stärken die gemeinsame Identität viel wirksamer als Hoch­glanz-Papiere. Beispielhaft: Wie werden neue Mitarbeiterinnen begrüßt und wie altgediente verabschiedet?
  • Führungskräfte interessieren sich für die Erfahrungen der Mitarbeitenden.
  • Exemplarisches Handeln: Chef sitzt einen Tag am Empfang.
  • Die Kultur eines Unternehmens erkennt man gut daran, wie Feste gefeiert werden. Nur Essen und Trinken oder stilvolles Feiern mit phantasievollen Beiträgen der Mitarbeitenden.
  • Kunst, Musik, Theater in das Unternehmen holen.
  • Räume nicht nur funktional, sondern inspirierend gestalten.
  • Soziale Verbindungen, Miteinander-Handeln – auch außerhalb der Arbeit – schaffen Vertrauen und stärken die Kooperationsfähigkeit. Die Organisation gewinnt soziales Kapital.

4.  Von Vorgaben und Vorschriften zum Dialog

Will man die Welt, so wie sie »wirklich« ist, sehen und erfahren, so kann man es nur, indem man sie als etwas versteht, was Vielen gemeinsam ist, zwischen ihnen liegt, sie trennt und verbindet, sich jedem anders zeigt und daher nur in, dem Maße verständlich wird, als Viele miteinander über sie reden und ihre Meinungen, ihre Perspektiven miteinander und gegeneinander aus­tauschen.

Hannah Arendt

 

Viele Organisationen sind geprägt von umfangreichen Regelwerken. Zum Teil kommen diese vom Gesetzgeber zum Teil durch ein ausge­klügeltes Qualitäts-Management, orientiert an einer Zertifizierung nach ISO 9000. Keine Frage: Zusammenarbeit braucht Regeln. Man kann nicht bei jedem Problem einen Stuhlkreis bilden. Nimmt die Anzahl der Regeln ständig zu und wird umfangreich kodifiziert, dann gibt es einige Nebenwirkungen: Kreativität und Flexibilität sinken; Normen sind nicht mehr für Menschen da, sondern Menschen, um die Normen zu erfüllen; Nachdenken wird durch Befolgen ersetzt. In einer dynamischen Welt mit anspruchsvollen Kunden und komplexen Problemen ist das tödlich.

Die Alternative wäre Dialog – nicht als Geschwätzigkeit, sondern als strukturiertes Erkunden der Möglichkeiten durch kollektive Intelligenz.

Konkrete Vorschläge

  • Adäquate Gesprächsorte schaffen, bei denen die Mitarbeitenden ihr Wissen einbringen und vernetzen können mit dafür geeigneten Formaten. Statt feierlichen Monologen ein World-Café, statt Sitzungen kreative Workshops.
  • Das oftmals vernachlässigte Wissen der Jüngeren, der Frauen, der Stillen, der Untergebenen, der fachlichen Außenseiter würdigen, um den Beharrungstendenzen der Altgedienten etwas entgegenzusetzen.
  • Plattformen für den Dialog, sowohl analog wie digital, ausbauen.
  • Informelle Kommunikation ermöglichen am Kaffeeautomaten, in der Mensa, auf der Parkbank, am Billard-Tisch, im Sportraum…
  • Zuhören wird kultiviert – Feedback ist erwünscht – führt zu Konsequenzen.
  • Projekte werden konsequent reflektiert mit allen Beteiligten – und verändern neue Projekt­planungen.
  • Schweigen und Stille, eine vorsichtige Verlangsamung führen nicht zu verlegenem Starren auf das Handy, sondern schaffen Nachdenklichkeit, Gründlichkeit und Nachhaltigkeit.
  • Vielfalt, Komplexität, Pluralität werden geschätzt und nicht die eine Wahrheit gesucht: Ambiguitäts-Toleranz.

5.  Vom Maschinendenken zum Beziehungsgeschehen

Resonanz erfordert den Verzicht auf die Kontrolle des Gegenübers und vermeidet es, den Prozess der Begegnung zu regulieren.

Hartmut Rosa

 

Tools für Führung und Zusammenarbeit hatten lange Konjunktur. Viele davon mögen durchaus hilfreich sein. Gute Ergebnisse garantieren sie nicht. Lieblos und gedankenlos eingesetzt wie gelernt, bewirken sie bei Mitarbeitenden eher Widerstand: „Aha, der Chef hat wieder ein Buch gelesen“. Männer lieben Werkzeug­kästen. Das birgt die Gefahr, Personen wie Maschinen zu behandeln, Mitarbeitende auf Nutz-Objekte zu reduzieren, statt sie als Mit-Wirkende anzunehmen. Der Soziologe Hartmut Rosa benennt zwei unter­schiedliche Haltungen. Verfügbarkeit ist die eine: Dinge sichtbar machen, erreichbar, zugänglich, beherrschbar, nutzbar – also unter Kontrolle bringen. Sein Gegenbegriff heißt Resonanz. Diese hat nach ihm vier Dimensionen: Berührung, Selbstwirksamkeit, Anverwandlung, Unverfügbarkeit. Es geht um Offenheit und Erreichbarkeit – weniger Management-Tools, mehr Mut zu Begegnung und Beziehung.

Konkrete Vorschläge

  • Führung setzt auf Kontakt und die Gestaltung von Beziehungen statt auf immer neue Führungs­instrumente.
  • Führungskräfte beherzigen “Management by walking around”.
  • Selbständiges Handeln und Übernahme von Verantwortung haben Vorrang vor Zuständigkeit.
  • Leistung wird bewertet nicht gemessen.
  • Statt loben an-erkennen – das meint erkennen, was jemand leistet.
  • Die verschiedenen Sprachen der Wertschätzung üben: Worte, Zeit schenken, Dienen, Gesten, Berührung, Ermächtigung (nach Gary Chapman).
  • Die Philosophin Hannah Arendt spricht von Handeln als Alternative zum Herstellen. Herstellen setzt auf Technik – Handeln wird machtvoll nur als gemeinsames Handeln. Arendt bezeichnet dies als Geburtlichkeit, weil so Neues entsteht.

6.  Von der Hierarchie zu Selbstführung und dezentraler Verantwortung

Es ist zwar leicht die Macht zu zentralisieren, aber unmöglich, all das Wissen zu zentralisieren, welches auf viele Individuen verteilt ist und dessen Zentralisierung zur weisen Ausübung der zentralisierten Macht erforderlich wäre.

Karl Popper

 

Irgendwann als die großen Reiche entstanden, erfanden die Menschen die Hierarchie. Das ermöglichte arbeitsteiliges und effizientes Arbeiten. Selbst eine riesige Pyramide konnte man so ohne moderne Maschinen errichten. Wunsch nach Macht und Machterhalt ließ Hierarchien dann immer breiter und tiefer, immer beherrschender werden.

Moderne gut ausgebildete Wissensarbeiter fügen sich nicht mehr in Hierarchien ein. Dass alles oben abgesegnet werden muss, demotiviert. Im Übrigen verlangsamt es Entscheidungen.

Konkrete Vorschläge

  • Mitarbeiter ermächtigen – dezentrale Entscheidungen ermöglichen.
  • Teams – wenn sie nicht mehr als ungefähr 10 Köpfe umfassen – können sich selbst organisieren. Sie benötigen allerdings Arbeitszeit für Team-Entwicklung und Klausuren.
  • Mitarbeiter heute heißen nicht umsonst Wissens-Arbeiter. Sie wissen viel – nicht nur Fach­wissen aus der Ausbildung, sondern vor allem Erfahrungs-Wissen aus ihrer Praxis. Deshalb können sie sich auch selbst führen.
  • Motivierte und kompetente Personen können mit den Möglichkeiten moderner Informations­technologie über große Entfernungen zusammenarbeiten, wenn sie einige Voraussetzungen beachten: Sie haben sich kennengelernt – face to face – und Vertrauen zueinander. Der Rest ist Technik.
  • Eine systematische Personalentwicklung investiert in Bildung, die über fachtechnisches Wissen weit hinausgeht: Werte, Persönlichkeit, Dialog, Emotionalität, Lebensfreude, Kultur.

7.  Von Büro-Kratie zu Kreativität

Kreativität entsteht in Werkstätten, in Laboren, am Küchentisch – niemals in Sitzungszimmern.

Alf Biber

 

In Deutschland kann man derzeit keine Organisation besuchen, ohne nicht sofort ein Klagelied über die wachsende Bürokratisierung zu hören. In sozialen Dienstleistungs­unternehmen ist das noch einmal stärker als in Wirtschafts­unternehmen. Ökonomen haben längst herausgearbeitet, dass Transaktionskosten das Geld von allen Beteiligten vernichten. Deshalb ist es eine zentrale Führungsaufgabe, diese zu minimieren. Es ist auch längst bekannt, was Transaktionskosten in die Höhe treibt: mangelndes Vertrauen. Misstrauen zerstört Wissensaustausch, Kreativität, Experimentierfreude, Innovationen – all das, was Unternehmen heute dringend brauchen. Führungsstärke zeigt sich vor allem im Kampf gegen die Bürokratie-Monster.

Konkrete Vorschläge

  • Unsinnige Dokumentationen rigoros streichen, notwendige vereinfachen.
  • Mut zum Experimentieren und Fehler machen.
  • Von und mit Kunden lernen.
  • Bei Problemlösungen Perspektivenwechsel und Interdisziplinarität praktizieren.
  • Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.
  • Vertrauen systematisch aufbauen – vertraut werden durch Workshops, Projekte, Feste, gemeinsames Lernen…
  • Der Ansatz des Design Thinking weist neue Wege: Kontext verstehen – Nutzer und Betroffene beobachten – Erkenntnisse verdichten – Ideen entwickeln mit einer Vielzahl von Lösungs­möglichkeiten – konkrete Lösungen sichtbar machen (Prototypen) – Lösungen testen
  • Informationen kann man digital austauschen – Neues entwickeln verlangt physische Nähe.
  • Besprechungsräume ähneln einer Werkstatt mit beweglichem Mobiliar und kreativen Materialien.

8.  Von der Herrschaft der Altgedienten zum aktiven Generationen-Management

Man wird nur alt, wenn man seinen Idealen Lebewohl sagt!

Albert Schweitzer

 

In Zeiten von beschleunigten Veränderungen gibt es einen schnellen Generationenwechsel. Alle drei Jahre haben wir eine neue Generation mit anderen Werten, konstatieren Jugendforscher. Natürlich führt dies bei der Zusammenarbeit in Organisationen zu Spannungen. Normalerweise lernen die Jungen von den Älteren. In der digitalen Welt ist es auch umgekehrt. Ein Beispiel: Die Jungen gestalten die Einführung einer neuen Software und schulen dann die Älteren. Das wäre aktives Generationenmanagement. Für manch Altgedienten vielleicht anfangs gewöhnungsbedürftig, aber auf Dauer eine Chance für eine Kultur des Miteinander.

  • Lebenslanges Lernen gilt für alle.
  • Die Weisheit des Alters ergibt sich nicht aus dem Alter, sondern aus reflektierter Erfahrung. Das ist ein Potenzial.
  • Junge Mitarbeitende, wenn sie neugierig sind, wirken als potenzielle Innovatoren. „Gebt euch nie zufrieden, sucht weiter!“ (Steve Jobs).
  • Job-Rotation und Führung auf Zeit halten Organisationen wandlungsfähig.
  • Tandems von Jungen und Alten als Lerngemeinschaften bilden.
  • Jüngere konzipieren die Einführung einer neuen Software und schulen dann die Älteren.
  • Zwei Workshop-Ideen: Azubis und Berufsanfänger entwickeln neue Regeln für die Zusammen­arbeit – eine Gruppe der Dienstältesten nimmt dazu Stellung.

9.  Vom technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt zum ökologischen und sozialen

 Die gleiche Intelligenz, die für eine enorme technische Entwicklung verwendet wurde, sollte es auch schaffen, wirksame Formen internationalen Leaderships zu finden, um die schwerwiegenden Umweltprobleme und die ernsten sozialen Schwierigkeiten zu lösen.

Papst Franziskus

 

In einer Marktgesellschaft erzwingt der Wettbewerb den Wandel in Organisationen. Allerdings tendenziell eher zum Eigennutz als zum Gemeinwohl und eher zum ökonomischen Fortschritt als zum ökologischen. Klimawandel und Umweltzerstörung einerseits, Auseinanderklaffen von Verdienstmöglichkeiten andererseits sind derzeit dramatisch. Es ist Zeit für einen Schwenk. Ökologie und Gerechtigkeit sind Leitbegriffe für Organisationen mit Zukunftsfähigkeit. Beides ist in unserem evolutionären Erbe tief verankert. Das heißt, dass nur Organisationen, die dies beherzigen, auf Dauer auch Akzeptanz finden. Technisches und ökonomisches Voranschreiten wird dies nicht ausschließen.

Konkrete Vorschläge

  • Technischer Fortschritt wird nicht als Selbstzweck gesehen, sondern als Mittel die Lebens­qualität zu verbessern.
  • Bei allen Entscheidungen wird das Kriterium einer ökologischen Nachhaltigkeit ins Spiel gebracht.
  • Mitarbeitende, die nachhaltig denken, sind geeignet für Führungsaufgaben.
  • Bei Veränderungen wird geschaut, wie es dabei den Schwachen und Armen geht.
  • Sowohl die Verteilung der Arbeit wie auch der Gehälter müssen als fair empfunden werden.
  • Möglichkeiten zur Partizipation aller Mitarbeitenden kennzeichnen die Organisations­strukturen.

10.   Von heldenhaften Führern zu nachdenklichen

Für die Moderation von Selbstorganisationsprozessen ist ein heroischer Führungsstil eher hinderlich. Nicht das brachiale Durschlagen gordischer Knoten, sondern das kunstvolle Knüpfen von Netzen ist gefragt.

Ulrich Bröckling

 

Hat eine angehende Kanzlerkandidatin irgendwo Schwierigkeiten sich durchzusetzen, dann wird ihr sofort mangelnde Führungs­stärke attestiert. Merkwür­digerweise auch von betont liberalen und demokratischen Zeitungen. Und das im 21. Jahrhundert. Anscheinend sind die alten Bilder und Mythen von den Helden vor den Toren Trojas immer noch in vielen Köpfen virulent.

Wer in erfolgreiche Organisationen blickt, wie dort versucht wird, Her­ausforderungen zu meistern und Zukunft zu gestalten, der sieht etwas anders als Helden im Harnisch, die voranpreschen. Der neue Führungsstil wurde zutreffend als post-heroisch beschrieben. Wie kann der aussehen?

Konkrete Vorschläge

  • Zunächst einmal geht es um Selbstführung. Bin ich als Chef oder Chefin in der Lage, mich selbst gut zu organisieren, verlässlich zu handeln, Expertisen genau zu lesen, eigene Gedanken zu präzisieren. Dann geht es um die Fähigkeit die Mitarbeitenden wahrzunehmen – also um Empathie, um Aufmerksamkeit, um aktives Zuhören.
  • Autorität kommt nicht mehr aus überlegener Fachkompetenz. Dafür sind die Probleme zu komplex. In der Wissensgesellschaft bedeutet Führungsstärke, Wissenschaftler und Praktiker ins Gespräch zu bringen – konstruktiv, streitbar, respektvoll. Das kann man als die Kunst des Moderierens bezeichnen.
  • Ein Schlüsselbegriff für Zukunftskunst ist Nachdenklichkeit: Die Fähigkeit Entscheidungen zu verlangsamen und in Ruhe – vielleicht bei einer Wanderung – die verschiedenen Möglichkeiten und Sichtweisen abzuwägen.
  • Gute Führung hat Werthaltungen und opfert diese nicht Moden und Marketing.
  • Führungskräfte müssen viel reden. Die meisten können dies auch eloquent. Menschen haben jedoch Erfahrungen, um zu spüren, was ehrlich ist und was nicht. Authentizität ist gefragt.
  • Regeln und Vorschriften haben nicht mehr den Verpflichtungscharakter wie in früheren Zeiten – eher sind dies Vereinbarungen, die aus einem offenen Diskurs hervorgehen.
  • Führungskraft ist nicht das kühne Vorneweg-Stürmen oder das kraftvolle Bekämpfen des Gegners, sondern die Fähigkeit vorhandene Potenziale zu bündeln, ins Wort zu bringen und dafür Commitment zu erreichen.
  • Wer keinen Mut zum Träumen hat, hat keine Kraft zum Kämpfen.

Sich begegnen, aufmerksam zuhören, sorgfältig reden, Perspektiven wechseln… – Organisation als Kommunikationsgeschehen

Ob ein System überlebensfähig ist oder nicht, liegt vor allem an der Art der Kommunikation zwischen seinen Teilen, anders gesagt, an der kybernetischen Rücksteuerung, die das Funktionieren des gesamten irdischen Lebens seit seinen Anfängen garantiert hat.

Frederic Vester

 

Die real existierende Kommunikation ist in Organisationen, so die leidvolle Erfahrung vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, eine Quelle von Missverständnissen, Verzögerungen, Unzufriedenheiten und von Konflikten. Dabei haben wir doch alle das Miteinander-Reden von Kindesbeinen an gelernt. Die meisten Menschen neigen deshalb auch zur Ansicht, Kommunikation in Organisationen müsste eigentlich gelingen, wenn die Beteiligten nur wol­len und man eine gemeinsame Sprache hat. Die Praxis lehrt anderes. Da sagt einer etwas, der andere hört etwas ganz anderes, beide gehen auseinander im Glauben, der Sachverhalt sei klar und auch was jeder zu tun habe. Später, meistens zu spät, stellt sich heraus, dass sich beide nicht verstanden und gegeneinander statt miteinander gearbeitet haben. Dann beginnt die leidige Schuldsuche, die in Vorwürfe mündet und zu Verletzungen führt. Dabei hat jeder und jede nur das umgesetzt, was er oder sie gedacht hat. Nicht gelungen ist die Rückkoppelung über die verschiedenen Bilder im Kopf.

Wie geht dann „richtige“ Kommunikation? Viele Seminare und Bücher behaupten, darauf die Antwort zu haben. Hinter diesem vollmundigen Versprechen steckt ein mechanistisches Menschenbild. Der Mensch wird als eine Art Computer betrachtet, die Mit­arbeiter in einer Organisation brauchen jetzt nur noch alle die gleiche „Software“, sie werden richtig „programmiert“ und dann muss die Kommunikation klappen. Doch Menschen sind keine Maschinen, menschliches Gehirn funktioniert anders als Computer; wir haben nicht alle das gleiche „Programm“, sondern eine höchst individuelle „Kommunikationssoftware“, wir transportieren unsere Bilder im Kopf zu anderen Menschen in einer sehr eigenwilligen Sprache und Körpersprache. Jeder spricht, „wie ihm der Schnabel gewachsen ist“.

Nicht kommunikative „Gleichschaltung“ sondern Begegnung von Vielfalt

Eine Organisation ist ein Ort lebendiger und vielfältiger Kommunikation: Vier-Augen-Gesprä­che, Besprechungen, Versammlungen, Mitarbeitergespräche, Gespräche auf Gängen, am Kaffeeautomat. Vorgesetzte, Mitar­beitende, Kunden kommen aus unterschiedlichen Milieus, von verschiedenen Bildungen und Erfahrungen geprägt. Deshalb lösen einzelne Begriffe unterschiedlichste Bilder in den ver­schiedenen Köpfen aus, bestimmte Sätze werden emotional völlig verschieden bewertet und mit entsprechenden Stimmungen aufgeladen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass es in einer Organisation zugeht, wie beim Turmbau zu Babel. Und dies nicht, weil inzwischen in vielen Organisationen Menschen mit unterschiedlichen Muttersprachen zusammentreffen.

Organisationen sollten deshalb nicht nach der „richtigen“ Kommunikation suchen, sondern nach einer Kultur der Kommunikation. Eine Kultur kann nicht gemacht, nur gepflegt werden. Sie wird die Vielfalt nicht beschneiden, sondern entfalten. Nicht „Gleichschaltung“ ist ange­sagt sondern Begegnung, Dialog von Verschiedenen. Nicht um „richtiges“sondern um sorg­fältiges Reden geht es.

Fünf Eckpunkte für Kommunikationsentwicklung in Organisationen

Aufmerksamkeit für Kommunikation in einer Organisation beginnt mit der Gestaltung fünf wichtiger Eckpunkte. Diese gehören ins Zentrum jeder Organisa­tions-Kultur.

Regelmäßig und bewusst kommunizieren

Kommunikation braucht Zeit oder besser feste Zeiten. Es wird nicht zu wenig geredet – es wird zu wenig bewusst und sorgfältig miteinander geredet. Gespräche finden oft zwischen „Tür und Angel“ statt. Da sagt eine Chefin ihrem Mitarbeiter im „Vorbeilaufen“, dass er beim letzten Projekt hervorragende Arbeit geleistet hat und merkt nicht, dass die gedachte „motivierende Wirkung“ dieser Anerkennung in der allgemeinen Hektik auf dem Gang schlicht verpufft.

Wenn Kommunikation entscheidend für das Gelingen von Führung, Kooperation, Lernen und Innovation ist, dann braucht gerade sie Qualitätssicherung. Ein Moment dafür ist die Regel­mäßigkeit. Besser wöchentlich eine knappe Stunde Austausch der Beteiligten im Projekt­team, statt „nach Bedarf“ drei Stunden. Regelmäßige Mitarbeitergespräche zwischen Mitar­beitern und Vorgesetzten einmal im Jahr sind nicht ersetzbar durch anlassbezogene Kom­munikation hier und da, oft gestört, meistens oberflächlich. Gespräche werden nicht dadurch besser, dass man sie möglichst in die Länge zieht. Ein Gespräch bekommt für alle Beteilig­ten eine Bedeutung, wenn es bewusst geführt wird, wenn die Gesprächspartner ihre Zeit jetzt für das Gespräch reservieren, eine „Auszeit“ von all den anderen Dingen nehmen, die heute auch noch erledigt werden müssen.

In vielen Befragungen und Diagnoseworkshops wird deutlich, dass Mitarbeiter nach ihrer Einschätzung zu wenig mit ihrem Vorgesetzten sprechen können. Fragt man den Chef, rea­giert der empört: „Ständig spreche ich mit denen, täglich, der größte Teil meiner Arbeitszeit besteht aus Gesprächen mit Mitarbeitern…“ Wer lügt?, Weder der Vorgesetzte noch die Mitarbeiter. Nur die Wahrnehmung ist völlig verschieden. Mitarbeiter achten auf die Qualität der Kommunikation, Vorgesetzte auf die Quantität der Gespräche. Viele haben die klassische Szene erlebt: Ein Vorgesetzter spricht mit einem Mitarbeiter und unterschreibt nebenher irgendwelche Schriftstücke. Dieses Gespräch kann stundenlang dauern, die Wir­kung ist gering, weil die Begegnung fehlt. Ob Begegnung gelingt, wird vor allem an der Körpersprache sichtbar: Auf jemand zu-gehen, sich ihm zu-wenden, ihn an-sehen, in Kontakt kommen (lat.: contactus = Berührung). In einem aufmerksam geführten Gespräch – sei es noch so kurz – reserviere ich meine Zeit für einen anderen. Weil Zeit das kostbarste ist, das Menschen haben, bringt gerade dies Wertschätzung zum Ausdruck. Eine Organisation prak­tiziert Kommunikationskultur, wenn sie Zeiten für die verschiedenen Gesprächsanliegen festlegt, wenn diese transparent sind, wenn die Gesprächspartner pünktlich sind und kon­zentriert, wenn der Fokus auf dem Gespräch liegt und nicht noch nebenher anderes am Smartphone erledigt wird.

Räume für den Dialog

Kommunikation braucht Orte. Zugegeben, es klingt banal. Aber viele Organisationen haben hier Defizite. Zwar sind Betriebsräume meist funktionsgerecht, Eingangsbereiche manchmal sogar schön. Was fehlt sind kleine Gesprächszimmer, ruhige Ecken für das informelle Gespräch, kommunikationsorientierte Konferenzräume. Bei vielen Besprechungs-Räumen merkt man schnell, dass der Raumplaner wohl eher an Vorträge dachte als an Dialog, mehr an Vorgesetztenanweisungen als an gemeinsames Ringen um adäquate Problemlösungen.

Alle Kulturen haben Plätze geschaffen, die zum Gespräch einladen. Dies zeigt ein Blick in alte Städte und gewachsene Dörfer. Die moderne Architektur hat diesen Aspekt zu lange vernachlässigt. Bauliche Veränderungen sind meist schwierig und kostspielig. Aber Tische und Stühle auswählen und anordnen, mit Bildern und Blumen Atmosphäre schaffen, mit Visualisierungsmöglichkeiten darauf zielen, dass alle etwas Gemeinsames erarbeiten und nicht jeder für sich mitschreibt oder gar in seinen Akten liest – dies alles verbessert Kommunikation und damit Effektivität und ist nicht sehr aufwändig.

Adäquate Medien

Kommunikation braucht Mittel. Heute gibt es davon vieles: Pinwände, Flip-Charts, Moderationsausrüstung, PC, Beamer – die gesamte neue Kommunikations­technologie. Menschen haben unterschiedliche Weisen der Verankerung von Wissen, methodische Vielfalt ist hilfreich. Vor allzu großem technischen Aufwand ist eher zu warnen. Elektronische Kommunikationsmedien sind hilfreich für Präsentationen, im Dialog bauen sie Barrieren zwischen Beteiligten auf, verhindern eher Begegnung. Wirkliche Begegnung von Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven, Ansichten, Interessen, Erfahrungen ist aber die entscheidende Quelle für ein gemeinsames Vorankommen in der Sache, für eine Entwicklung.

Moderation aktiviert zur Beteiligung

Viel ist schon gewonnen, wenn sich Organisationen darüber klar werden, dass ein Gespräch in einer Gruppe (selbst wenn diese sehr klein ist) zielorientierter und effektiver wird, sobald jemand die Moderatorenrolle übernimmt. Dass sich alle immer gut vorbereiten, immer aktiv und konstruktiv einbringen, ist angesichts beruflicher Belastungen eine Illusion. Moderation entlastet alle Beteiligten. Einer oder eine bereitet das Treffen vor, kümmert sich um Zeit und Ort, sorgt für Visualisierungsmöglichkeiten, bietet eine Struktur und einen Zeitplan, denkt an Dokumentation und Information. Wenn er oder sie dies auch noch kompetent macht, methodisch angemessen, anregend für die Teilnehmer – dann um so besser. Unterschiedliches Vorgehen von Moderatoren ist dabei kein Problem, eher eine Chance für Lebendigkeit. Deshalb ist es auch sinnvoll, wenn nicht immer nur der Chef mode­riert oder irgendein ausgeguckter Profi, sondern rollierend alle. Wer weiß, dass er diese Rolle auch mal übernehmen muss, bringt sich aktiver und konstruktiver ein.

Ziel von Gesprächsmoderation ist die Aktivierung aller Beteiligten, um bestmögliche Ergeb­nisse bei den Themen zu erzielen. Ressourcenorientierung heißt das im Jargon. Besprechungen sind ziem­lich teuer, denn es handelt sich um Arbeitszeit vieler Personen. Das kann aber nicht primär heißen, möglichst schnell zum Ende zu kommen und allem zuzustimmen, was irgendjemand vorgedacht hat. Ein teures Treffen muss sich dadurch rechtfertigen, dass die Kreativität aller, die jetzt da sind, auch ins Spiel kommt und gute Ergebnisse zeitigt: Moderieren als Animieren.

Vereinbarte Regeln schärfen den Blick für Kommunikation

Kommunikation braucht Regeln. Viele Kommunikationsfachleute haben versucht, prägnante Gesprächsregeln zu formulieren. Im politischen Bereich werden sie in Form von Geschäfts­ordnungen formalisiert. Wenn sich Organisationen neben ihrer sonstigen Arbeit als Kommu­nikationssorte verstehen, macht es Sinn, dafür gemeinsam Regeln zu entwickeln. Manche fürchten, dass dabei nicht mehr herauskommt als allgemein übliche Höflichkeitsregeln, nach dem Motto: „Wir lassen andere ausreden…“ Bei Gesprächsregeln kommt es aber gar nicht auf Originalität an. Im Vordergrund sollte der Vereinbarungsprozess stehen. Wenn das Regelwerk in den Augen mancher nicht mehr ist als eine Sammlung von Selbstverständlich­keiten, macht das gar nichts. Zum einen gibt es in einer pluralistischen Gesellschaft mit einem hohen Individualisierungsschub eben immer weniger Selbstverständlichkeiten. Zum anderen ist das Vereinbaren von Regeln eine Möglichkeit, eine Corporate Culture zu entwi­ckeln. Vereinbarte Regeln unterstützen Moderatoren und Führungskräfte, geben für alle Beteiligten eine anspruchsvolle Meßlatte, schaffen Transparenz für die interessierte Öffent­lichkeit und bieten eine Lernstruktur – nicht nur für Mitarbeitende auch für Vorgesetzte – Unter­nehmen als lernende Organisationen.

Dreidimensionale Umsetzung: Fähigkeiten, Strukturen, Kultur

Die fünf Eckpunkte sind keine revolutionäre Erkenntnis. Das Problem ist, dass diese „Selbstverständlichkeiten“ in allen Organisationen in der Praxis zu wenig gelebt werden. Dies führt zu Problemen, die dann an anderer Stelle virulent werden: schlechtes Image, zu lang­same Abläufe, mangelnde Mitarbeitermotivation, schwelende und offene Konflikte. Wer auf eine Organisation als qualifizierten Kommunikationsort zielt, braucht eine Umsetzung entlang von drei Dimensionen.

Kommunikative Fähigkeiten der Mitarbeiter entwickeln –
Kommunizieren lernt man ein Leben lang

Weil alle Mitarbeiter Kommunikatoren sind, brauchen sie kontinuierlich Kommunikations­trainings. Es geht dabei nicht darum, Kommunikationsfachleute auszubilden. Vielmehr sollte das Anliegen einer dialogischen Kommunikation im Blick auf eine spezifische Organisation und auf bestimmte Gesprächssituationen – Kunden- oder Mitarbeitergespräche, Konflikt­gespräche, Fördergespräche etc. – gemeinsam praktisch weiterentwickelt werden. Dazu braucht es Angebote mit Workshopcharakter, Impulse von außen und Adaption an die jewei­lige Unternehmenssituation. Gerade weil es nicht die richtige Kommunikation gibt, braucht es die ständige Weiterbildung – weniger um Neues zu lernen, mehr um die eigene Praxis zu hin­terfragen und zu reflektieren. Bei Gesprächen kommt es auf Nuancen an: beim Formulieren und in der Körpersprache, beim Umgang mit eigenen und fremden Emotionen, beim Bear­beiten von Konflikten. Hier sind wir alle ein Leben lang Lernende; wenn dies gerade die Führenden ernst nehmen, hat dies auch eine stilbildende Wirkung im Blick auf die Unter­nehmenskultur.

Ein Gesprächsfeld hat wachsende Bedeutung bekommen: „Kommunikation mit der Öffentlichkeit“. Es geht um die Verantwortung einer Organisation in der Gesellschaft. Pressegespräche, Öffentlichkeitsarbeit, Kooperation mit öffentlichen Institutionen, Darstel­lung des eigenen Profils, Rechenschaft über die geleistete Arbeit, Menschen gewinnen für Veränderungen – das sind für Organisationen entscheidende Themen mit einem hohen kom­munikativen Anteil. Zumindestens zum Teil erfordern sie auch andere kommunikativen Fähigkeiten als die interne Kommunikation.

Kommunikation strukturell verankern –
Organisationsentwicklung braucht vielfältige Meetings im Dialogstil

Gute Organisationsstrukturen zeichnen sich dadurch aus, dass sie viele und vielfältige Kommunikationskanäle haben und diese vor „Verstopfung“, „Verkalkung“ und „Austrock­nung“ bewahren. Jeder Praktiker weiß, dass dies nicht mit einem schönen Organigramm oder der modischen Beschwörung der neuen Kommunikationstechnologie getan ist. Vielleicht passt hier das Wort von den „Mühen der Ebene“.

In den letzten zehn Jahren haben eine große Zahl von Unternehmen, Organisationen und Behörden das sogenannte „regelmäßige Mitarbeitergespräch“ eingeführt. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Erfahrung, dass ein regelmäßiges Gespräch für die Partner eine heilsame Wirkung hat – ganz egal, wie es im Einzelfall verläuft. Kommunikation braucht offensichtlich das Moment einer „Institution“. Für Personalentwicklung und Führung hat dies eine große Bedeutung: Coaching, Förderung, Potenzialentwicklung und vieles andere bleiben ohne ver­bindliche Gespräche dafür meist nur „Papiere“. Kommunikation braucht Nachhaltigkeit! Regelmäßige Vier-Augen-Gespräche kosten viel Zeit – diese hat aber auch eine hohe Wirkung im Blick auf Mitarbeiterführung.

Eine Organisation, die Entwicklung auf ihre Fahnen schreibt, hat vielfältige Besprechungen. Wenn diese als Dialogorte qualifiziert werden, spart das Kosten (Stichwort Effizienz), erreicht Zufriedenheit der Beteiligten (Stichwort Motivation), verbessert Kooperation (Stichwort Synergieeffekte) – bereits drei Gründe, der Gestaltung von Besprechungen Aufmerksamkeit zu widmen. Dialog ist dabei zu verstehen als gezielter Austausch verschiedener Sichtweisen, um gemeinsam zu lernen. Diskussionspartner möchten ihre Sicht durchsetzen – Dialog­partner versuchen, die Sicht der anderen zu verstehen. Entwicklung dialogischer Bespre­chungen ist Führungsaufgabe. Führende sollte dazu animieren, die Kommunikation in den Sitzungen offen zu reflektieren, statt selbst wie ein aufgescheuchtes Reh von Meeting zu Meeting zu hetzen. Für Besprechungen gibt es inzwischen viele erprobte Werkzeuge: Workshops, Visualisierungshilfen, Moderationsmethoden, Arbeitsmittel, Großgruppen­animation. Handwerkszeug, das den Organisationen nicht fremd ist – aber oft wenig profes­sionell eingesetzt wird.

Eine Kultur der Kommunikation entwickeln – Die „aktive“ Organisation

Inspirierender Ort für eine Kommunikationskultur in Organisationen ist die Agora, jenes steinerne Rund, in dem die Bürger Athens sich zur Volksversammlung trafen. Dort geschah ein „Neubeginn der Weltgeschichte“ (Christian Meier). Das Bild von miteinan­der diskutierenden und streitenden Bürgern auf einem offenen Platz der Polis wurde ein Leitbild für Europa. Hannah Arendt hat diese Kultur prägnant beschrieben: „Eine Sache kann sich unter vielen Aspekten nur zeigen, wenn Viele da sind, denen sie aus einer jeweils ver­schiedenen Perspektive erscheint. Wo diese gleichberechtigten Anderen und ihre partiku­laren Meinungen abgeschafft sind, wie etwa in der Tyrannis, … ist niemand frei und nie­mand der Einsicht fähig, auch der Tyrann nicht“. Es geht nicht um Demokratisierung im Sinne von Mehrheitsentscheidungen, sondern um Vielfalt der Perspektiven als notwendige Voraus­setzung für das Entscheiden. Die Agora kann heute auch eine digitale Plattform sein.

Je komplexer und weitreichender die zu lösenden Probleme sind, desto mehr Kom­munika­tion brauchen wir, desto höher ist der Vermittlungs- und Verständi­gungsbedarf. Organisatio­nen sollten die Lebendigkeit der athenischen Agora entfalten: wirkliche Begegnung verschie­dener Menschen, offener Austausch unterschiedlicher Perspektiven und Meinungen, Inter­disziplinarität, gemeinsames Ringen um Zukunftsgestaltung, zielorientiertes Lösen von Problemen durch einen Wettbewerb der Ideen.

Die Formen, dies in unterschiedlichen Organisationen umzusetzen, sind vielfältig. Der ent­scheidende Prüfstein heißt meines Erachtens: Können sich alle in einem offenen Dialog ein­bringen und dabei erleben, dass ihr Beitrag gehört und ernst genommen wird? Dies ist ent­scheidend für die Praxis der Organisationsentwicklung, für die Akzeptanz einer Organisation durch Kunden und Mitarbeitende, damit auch für ihren wirtschaftlichen Erfolg. Unter anderem wird es heißen: Dem Zuhören mindestens so viel Aufmerksamkeit zu widmen wie dem Spre­chen, übliche Bilder in den Köpfen in Frage zu stellen, gemeinsam das Unternehmen als Ort des Dialogs zu gestalten. Organisation als Kommunikationsgeschehen ersetzt nicht Qualität bei Produkten und Dienstleistungen. Das ist ein Missverständnis des Medienzeitalters. Dialog in Organisationen – geübt, strukturiert und kultiviert – kann allerdings die Produkte und Dienstleistungen verbessern, weiterentwickeln und ihren Nutzen für die Kunden dar­stellen.